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Markus Hofer – Auf dem Boden der Tatsachen

Von Severin Dünser; 2005

Die Welt der gewöhnlichen Dinge versperrt sich normalerweise unserem Blick –ihre schlichte Banalität genügt uns, gibt uns auch eine gewisse Sicherheit für den Alltag. Sie bildet einen schützenden Rahmen für alles Unvorhergesehene, eine Infrastruktur für das Dasein. Und eine Spielwiese für Markus Hofer.

Wenn sich das Heizungsrohr an einer Stelle plötzlich verdickt oder Farbe aus der Steckdose läuft, kann man sicher sein: hier war Markus Hofer am Werk. Mit minimalem Aufwand und größter Leichtigkeit ruft er Irritationen hervor, die am Wesen der Dinge zweifeln lassen.

Hofer orientiert sich an den Gegebenheiten des Raums und auch aus praktischen Gründen an dessen standardisiertem Inventar wenn er etwas umsetzt. Nicht nur Steckdosen und Heizungsrohre sind in jeder (europäischen) Wohnung vorhanden, auch Stromkabel sind Teil von Hofers Repertoire. Bei seiner „Zeitlinie“ etwa verlässt das Kabel sein Schattendasein an der Kante zwischen Boden und Wand kurzfristig um nach einem Looping wieder in gewohnter Bahn weiter zu verlaufen. Durch diese verspielte Geste bringt es Hofer fertig, dem Kabel ein Eigenleben zu verleihen.

Seine Installationen in privaten Räumen wirken sehr unprätentiös, durch ihr leises Auftreten erschließen sie sich erst auf den zweiten Blick. Auch im öffentlichen Raum arbeitet er mit ähnlichen Mitteln – etwa wieder mit Stromkabeln, nur dass sie diesmal aus der Regenrinne hervorstehen, als wäre es selbstverständlich. Einem ein Portal flankierenden Löwen legt er einen Knochen ins Maul, der an die Ästhetik des Zeichentrickfilms angelehnt ist. Auch die Verdickung des Heizungsrohrs spielt mit dieser Formensprache, macht einen glauben es krieche gerade etwas durchs Heizungsrohr – Hofer macht die knappe Differenz sichtbar zwischen einer tatsächlichen Welt und einer Welt wie wir sie denken.

Ein Versammlungsort der Manifestationen einer Welt wie wir sie denken ist der Ausstellungsraum. Und eines der Vehikel musealer Rhetorik ist der Sockel, dessen Problematik Hofer sich zu Eigen macht. Er installiert mobile Sockel an Hydranten, auch an Bäumen, und bedingt dadurch eine Lesart des damit hervorgehobenen Objekts nach einer Logik der Kunst. Während er hier Alltägliches auf einen Sockel stellt, dreht er den Spieß im Ausstellungsraum um: Bei der Installation „Bildträger“ verwendet er den Besen der jeweiligen Institution um eine Leinwand gegen eine Wand zu stemmen. Der Besen, dazu da den Raum sauber zu halten, verdeutlicht die Abhängigkeit des Bildes vom White Cube, der ohne Besen wohl nicht gar so rein-weiß wäre.
Bei seiner „Raumecke“ macht Hofer die Wand selbst sichtbar, indem er eine Ecke der Wand auskragen lässt, als könnte man die Oberfläche der Wand wie die Seite in einem Buch umblättern. Während hier die Wand einem Informationsmedium gleichgestellt wird das Inhalte trägt, lässt er in einer anderen Arbeit Spekulationen über die Vergangenheit des Raums offen. Ein schwarzer Quader ist über ein Kabel an eine Steckdose angeschlossen. „Blackbox“ ist der Titel der Arbeit, und gibt vor Aufzeichnungen zu sammeln. Eine Auswertung der Daten spielt sich allerdings nur im Kopf des Betrachters ab, da ihr fiktives Funktionieren sich rein über ihren Anschluss ans Stromnetz definiert, wie auch ihre wörtliche Umsetzung als schwarzer Kasten.

Seine lecke Steckdose aus der rosarote Farbe rinnt betitelt er mit „Saft“, setzt auch hier die umgangssprachliche Bezeichnung für Strom buchstäblich um. Einer ähnlichen Form der Selbstreferentialität begegnet man in seinen Leinwandarbeiten: „Entwurf für ein Bild mit roter Schrift“ kann man auf einem lesen, „Entwurf für ein Bild mit achtundfünfzig Buchstaben und neun Punkten.“, schlicht „Bild“ oder „10% der Fläche dieses Bildes sind mit schwarzer Farbe bedeckt“ - und mehr als die Arbeiten vorgeben zu sein sind sie auch nicht. Sie beschränken sich auf ihre Entität als Bilder, können durch ihre Selbstbezogenheit den Ballast der Malerei, den Illusionismus, abwerfen.

Markus Hofer unterwandert wie ein Virus gängige Wahrnehmungsschemata – im Ausstellungsraum deutet er darauf hin dass Bilder doch nur Bilder sind, im öffentlichen und privaten Raum unterstellt er Dingen nicht zu sein, was sie scheinen. Er versteht das Leben als ein sich ständig änderndes System mit unzähligen Variablen. Seine Kunst ist ein Versuch der Ordnung, sein Schlachtfeld der Boden der Tatsachen.