Markus Hofer – sceneshift
von Maximilian von Geymüller; 2007
Stetig sinkende Temperaturen, ein von Glas begrenzter Raum in schattiger
Lage - wie bei vielen der Arbeiten von Markus Hofer nimmt auch bei der für
die Passagegalerie konzipierten Ausstellung die Imagination ihren Ausgang
bei den realen Gegebenheiten des Ortes.
Im Wechsel von der warmen zur kalten
Jahreszeit richtet der Künstler dort ein Gewächshaus ein, in dem
er seine Pflanzen überwintern lässt. An dieser Stelle ist anzumerken,
dass wir uns bereits in der Welt des Imaginären befinden. Es sind keine
echten Pflanzen, die der Bildhauer in der Passagegalerie gruppiert, sondern
technisch präzise geschaffene Objekte, die an Themen der Botanik und
Pflanzenzucht anschließen.
Die Realwelt allerdings ist nicht fern:
Wesentlich nämlich ist, dass das Imaginäre im Einzelnen wiederum
aus dem Realen erwächst, welches sich im Werk hartnäckig behauptet
und dem Ganzen einen dichotomen Charakter zwischen Kunstobjekt und Alltagsgegenstand
verleiht.
Die Gießkanne etwa bleibt Gießkanne. Nur durch die
plastisch meisterhafte Ergänzung eines Hodensacks beim Ansatz des Ausgusses
wird sie in die Sphäre des Bildhaften gehoben. Ähnlich verfährt
der Künstler bei dem anschließenden Objekt: Stamm überzeugt
als reales Kirschenbaumfragment, bis das handelsübliche Abflussrohr,
das an manchen Stellen klar in den Blick rückt, als dessen Inneres erkannt
wird.
Trotz der gewonnenen Erkenntnis scheint Markus Hofer, wie der Titel
der Arbeit suggeriert, auf der Frage zu beharren, was deren Ursprung darstellt:
Entstand der Baum aus dem Rohr? Oder umgekehrt: War nicht die zylindrische
Form eines Kirschbaumstamms Ausgangspunkt der Werkgenese? Das oft ironisch
gefärbte Spiel mit Form- und Sinnanalogien hat einen durchaus ernsten
Hintergrund: Dem Künstler liegt an einem grundsätzlichen Fingerzeig
auf die Unbeständigkeit von Wahrnehmungsgrenzen und -weisen sowie die
sozial und kulturell bedingte Konstruiertheit von Bedeutung.
Im konkreten
Fall widmet sich Markus Hofer der prekären Grenzziehung zwischen Kunst
und Natur, wobei die Verweisstrukturen und -ebenen komplex und mannigfaltig
sind.
Oftmals wird auf Gemeinsames aufmerksam gemacht, ja deren Ununterscheidbarkeit: Das
Private etwa bezieht sich auf die meist identische dekorative Zweckgebundenheit
von Kunst und Natur im häuslichen Bereich, angedeutet durch die zum
herabhängenden Tischtuch mutierte Auflage. Die als Blumen fungierenden
Kabel erschüttern die spießbürgerlich konnotierte Stimmung
mit dadaistischem Witz und lassen die Arbeit als Befreiungsschlag der Kunst
aus dem Milieu des allzu Profanen erscheinen.
Herbarium Voluminosum wiederum
leitet sich von den zu wissenschaftlichen Zwecken vorgenommenen Pflanzenpressungen
ab, die das historische Moment der Rationalisierung und Kultivierung der
Natur und damit einhergehend deren Klassifizierung repräsentieren. Dass
diese sich allerdings nicht vollumfänglich beherrschen lässt, wird
durch das amorphe Überquellen der gepressten Masse verdeutlicht.
Zudem
verweist auch der Titel in seiner semantischen Widersprüchlichkeit auf
das Dilemma menschlichen Umgangs mit der Natur und ihren Ressourcen. Ebenfalls
in diesem Referenzfeld ist das daran anschließend gezeigte Skulpturenpaar Pflanze – das
Willkürliche und Pflanze – das Regulierte angesiedelt:
Natur als Folge unterschiedlicher menschlicher Gestaltungsintensität.
Aber auch ein umgekehrter Beziehungsverlauf von Kunst und Natur ist möglich,
wie die Arbeit Kreuzung suggeriert. Ihre Gestalt verdankt sie der Übertragung
natürlicher und biotechnologisch genutzter Reproduktionsmethoden von
Pflanzen auf den Prozess skulpturaler Formfindung, indem die räumliche
Schnittmenge zweier im Rechten Winkel zueinander stehender Abbildungen materiell
erfasst wird. Dass Natürlichkeit und Künstlichkeit zwei integrierbare
und nicht unbedingt einander ausschließende Kategorien sind, zeigt
der Künstler nicht nur mittel- und unmittelbar in seinen dreidimensionalen
Objekten, sondern auch mit den ergänzenden Fotografien, die zum einen
das durch gezielten Schnitt plastisch geformte Gebüsch zwischen Kunst-
und Naturhistorischem Museum in Wien und zum andern ein vegetabil gestaltetes
Pflanzengefäß in Moskau erkennen lassen. Letztlich ist der gesamte
Ausstellungsort selbst in das System der Referenzen eingebunden - durch seinen
spezifische Intervention vollzieht Markus Hofer einen Sceneshift,
er transformiert die Passagegalerie zu einem Hybrid von Orangerie und Wunderkammer,
einem Hort von Natur und Kunst zugleich.